Mittwoch, 15. Oktober 2025

Mittwoch 15.10.2025 Die Eroberung von Podgorica

Was für ein Tag. Ich hatte dann auch noch das Glück, dass ich beim Aussteigen mit der Wade an die Treppe gekommen bin. Die kleinen Propellermaschinen haben immer eine eigene, kleine Treppe, die sie ausklappen. Die Stufen sind mit einem nichtrutschenden, sehr scharfkantigem „Sand“ belegt, nicht nur auf der waagerechten Fläche, sondern auch an der senkrechten Kante. Und da bin ich entlanggeschrappt. Resultat: Schürfwunde, fast bierdeckelgroß. Das Blut lief dann in dünnen Rinnsalen in Richtung Schuh, schön war das nicht. Leider habe ich nur sehr kleine Heftpflaster dabei, da macht man nichts mit. 




Viel Hoffnung, auf diesem Baustellen-Airport eine Sani-Station zu finden, hatte ich nicht. Aber dann: tatsächlich, da war eine. Ein freundlicher Sani nahm mich in Empfang und brachte mich in ein Behandlungszimmer. Da säuberte er die Wunde und legte einen perfekten Verband an. Sicher ist sicher! 


Dann ging ich zur Security. Dieses Mal kam ich nicht so glimpflich davon. Mein Gepäck wurde ausgesondert.

Die Frau fing an, meinen Rucksack auszupacken. Dann interessierte sie sich für meinen Kulturbeutel und schaute sich einzelne Fläschchen und Packungen an.

Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. 

Würde sie sie finden?

Und wer ist sie?

Jetzt muss ich etwas ausholen. Ich habe Freunde, von denen ich dachte, dass es Freunde seien. Jetzt bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. 2 von denen waren letztens in einer Kunstausstellung und haben da unter anderem eine Travelpussi gesehen (ruhig mal googeln). 



Und dann hatten sie die tolle Idee, mir so ein Ding zu schenken, damit ich auf meinen Reisen nicht so einsam bin. 

Und ich denke, man soll die Geschenke von „Freunden“ ehren und habe sie mitgenommen. Und genau diese Travelpussi war in meinem Kulturbeutel, der gerade von einer zugegebenermaßen hübschen Security-Frau durchsucht wurde. 

Aber es ging gut. Sie fand nichts Verbotenes und ich konnte (hastig) wieder alles zusammenpacken. 

Freunde!


Die 4 Stunden gingen auch vorbei und zum Schluss ging es dann auch halbwegs schnell. 


Am Flughafen schaute ich dann, wie immer, nach einer Möglichkeit, möglichst günstig in die Stadt zu kommen. Es gab einen großen Automaten, wo man Busverbindungen suchen und auch Tickets kaufen konnte und hier gab es auch ein Shuttle, das in die Stadt fuhr. Ein junger Mann sah meine Bemühungen und meinte nein, das Shuttle fährt nicht mehr. Ich sagte dann: ich probier es mal und er schaute mir seelenruhig zu. Es stellte sich heraus, dass er Recht hatte. Da er irgendwie vertrauenswürdig aussah, fragte ich ihn nach dem Taxi-Preisen. Er meinte Standard in die Stadt wären 15 €.

Um diese Uhrzeit habe ich wenig Lust, zu feilschen, und am Ende stellt sie sich heraus, dass er auch dieses Mal Recht hatte. Der sehr freundliche Taxifahrer brachte mich zu meiner Unterkunft und ich war dann froh, dass ich endlich da war.


Nun bin ich also in Montenegro. 

Das Frühstück heute war sparsam. Kaffee habe ich ja, das ist kein Problem. Außerdem habe ich gesehen, dass hier im Apartment auch Kaffee ist. Aber ich habe keine Kekse. Oder fast keine. Ich konnte gestern ja nicht mehr einkaufen und so habe ich nur noch eine halbe Tüte von kleinen Minikeksen, die ich im Flugzeug (Danke, Air Serbia) bekommen habe. Das soll heute mein Frühstück sein, aber eigentlich ist das auch egal. Ich bin eh kein großer Frühstücker eher ein großer, beim Frühstück Lesender.





Der Tag fängt wieder freundlich an. Ein paar Wolken, aber sonst viel blauer Himmel. Morgens ist es natürlich noch etwas frisch, aber kein Grund irgendwas Warmes anzuziehen. Ich muss erst mal herausfinden, wo ich hier gelandet bin. In ein paar hundert Metern ist die Millennium Bridge, eines der Wahrzeichen der Stadt. Es ist eine moderne Brücke, die über einem kleinen Fluss (Morca) führt. In Sarajevo war ich ja auf circa 500 m Höhe, hier sind es 50 m über dem Meeresspiegel. 


Mein erster Eindruck ist der einer modernen Stadt mit leider auch unglaublich viel Verkehr. Alles wirkt sehr sauber und bei dem schönen Wetter natürlich auch freundlich. Nachdem ich mich in Bosnien an die Mark gewöhnt habe, bezahle ich hier wieder mit Euro. Die Sprache hier verstehe ich genauso wenig wie in Bosnien, wo überwiegend kroatisch besprochen wird. Hier wird kroatisch serbisch und montenegrinisch gesprochen. Alles nicht so einfach.

Nach einer halben Stunde kam ich am Petrovic Castle an.








Das Schloss war die Winterresidenz des hiesigen Königs Nicola I. 


Das Schloss ist von einem Park umgeben und macht seinen Namen (Schloss) alle Ehre. Es ist geschlossen. In dem Park steht noch ein hübscher Pavillon, offensichtlich für Musikdarbietung.

Am Eingang sind ein paar Plakate, ich denke, dass hier Kunstausstellungen stattfinden. Leider nur nicht heute.

Halt halt halt! 

Da kommt jemand und öffnet die Tür. Ich frage, und ja es ist eine Ausstellung und ja sie macht in 5 Minuten auf. 








Diese 5 Minuten Zeit habe ich auf jeden Fall und kann dann das Gebäude betreten. Es sind leere Räume mit den Werken von Ilija Buric. Ich bin ja für mein beschränktes Kunstverständnis bekannt, aber hier würde ich ganz klar sagen, hat irgendjemand sehr lange telefoniert und sich dabei unter Umständen auch ein wenig aufgeregt. Die Räume sind alle gleich gestaltet. Mal hängen die Bilder an der Wand, mal liegen sie auf dem Boden. Nur in einem Raum wird ein stark verwackeltes Video gezeigt, wo ein Mann (der Künstler?) mit dem Fahrrad fährt. Und er fährt lange mit dem Fahrrad. Wahrscheinlich, weil er vorher lange und erregt telefoniert hat. Mehr kann ich dem Video nicht entnehmen.


Gegenüber von dem Schloss war ein weitläufige Gelände mit sehr vielen Kameras. Ich fragte mich, was das wohl sein sollte, und als ich am Eingang vorbeikam, erkannte ich: es war die amerikanische Botschaft. 


In dieser offensichtlich an Sehenswürdigkeiten etwas ärmeren Stadt dachte ich, da mache ich mal eine Erinnerungsfoto von. Irgendwelche Schilder, das fotografieren, verboten sei, wie an anderen Botschaften oder Regierungsgebäuden, fand ich nicht. 

Aber kaum hat sich das Handy hochgehoben, kam auch ein aufgeregter Wachmann auf mich zu fuchtelte wild mit den Armen. Er sagte nur Foto und ich schüttelte den Kopf und sagte alles klar und sagte ihm, dass ich kein Foto gemacht hätte. 

Aber jetzt war die Lawine ins Rollen gekommen. Er rief zwei Polizisten, die an der Ecke standen, dazu, redete kurz mit ihnen und dann wurde ich erkennungsdienstliche behandelt! 


Sie wollten meinen Ausweis sehen, den ich zum Glück dabei hatte, und checkten die Angaben bei einer zentralen Stelle ab. Die beiden Polizisten waren sehr freundlich und einer von denen sprach auch ein paar Brocken Deutsch. Ich sagte, ich habe kein Foto gemacht, also sollte es doch kein Problem geben und er nickte mit dem Kopf in Richtung des Americanos, verzog dabei etwas das Gesicht und sagte, er müsste das überprüfen. Die ganze Aktion dauerte vielleicht 3 oder 4 Minuten. Und natürlich dachte ich: hoffentlich gibt es kein Trouble, aber ich wusste auch nicht warum.


Aber die Sonne schien, und ich erfuhr von dem einen Polizisten, dass sein Vater in Hannover gewesen sei. Düsseldorf kannte er auch und fand, das sei eine sehr schöne Stadt. Und dann löste sich alles auf. 


Der Amerikaner wurde freundlicher und der montenegrinische Polizist machte mit mir noch ein Selfie. Interessanterweise standen wir so, dass das Objektiv auf die Botschaft zeigte, aber ich hatte natürlich auf die Frontkamera umgeschaltet. Hier erlebt man was!



Fun fact: als ich später Kaffeetrinken war, kam ich auf die Idee, mal nach der amerikanischen Botschaft hier zu googeln und mir die Bilder anzusehen. Da war genau das Bild, was ich machen wollte bereits auf Google gespeichert. Ich hätte gute Lust da vorbei zu gehen und Google zu verpetzen. Ist ja schließlich ein amerikanischer Konzern!



Zufällig kam ich an einem Friedhof vorbei und sah mir den natürlich auch sofort an. Es war der Cepurici-Friedhof. Offensichtlich ein Ort für sehr reiche Menschen, weil die Grabmale alle sehr groß waren. Manche waren mit kyrillischen Buchstaben beschriftet, andere wiederum in lateinischen. Es gab viel Marmor! Man sah auch Unmengen von Blumenschmuck, aber selbst aus der Entfernung konnte man sehen, dass es Kunstblumen waren. 









Allerdings waren die Farben sehr frisch, die konnten also auch noch nicht alt sein. An den unbenutzten Gräbern kann man sehen, dass es hierbei wohl oft um eine Gruft geht. Es sind Betonplatten, die offensichtlich herausnehmbar sind und darauf wird dann später das Grabmal gestellt. Einige der Grabmale sind wohl auf Vorrat eingerichtet worden. Es steht ein Name drauf, aber weder ein Vorname noch ein Datum. Davon gibt es nicht wenige und wie in vielen anderen östlichen Ländern sieht man auch hier viele Fotos beziehungsweise fotorealistische Gravuren auf dem Stein. Auf dem ganzen Friedhof wächst kein Baum und kein Strauch. Das finde ich etwas traurig!


Im hinteren Teil des Friedhofs waren dann wohl die billigeren Plätze, allerdings waren das immer noch sehr beeindruckende große Gräber, nur eben kleiner als diejenigen, die vorne am Friedhof waren. Ein seltsamer Ort. 


Und dann war da noch der berühmte Uhrenturm und der ebenso berühmte König, der auf seinem Pferd saß. 





Mittags habe ich mich dann erst mal in ein Café gesetzt und habe die Füße ausqualmen lassen. In den Nebenstraßen gibt es sehr sehr schmale Bürgersteige und die Autos fahren sehr ‚rücksichtsvoll‘ im Abstand von 2 cm mit hoher Geschwindigkeit an einem vorbei. Das ist ein wenig anstrengend. 


Außerdem fällt mir auf, dass es hier wirklich nicht viel zu sehen gibt. Der hochgelobte Uhrenturm zum Beispiel ist ein hässlicher, viereckiger gemauerter Turm, der zwar vier Seiten hat aber nur auf einer Seite ist eine Uhr. Hätte man das besser machen können? Aber das liegt nicht an mir. Ich weiß nicht, was ich mir unter Podgorica vorgestellt habe, aber schließlich ist das hier die Hauptstadt. Ich bin leicht enttäuscht!


Zufällig kam ich an einer Touristinfo vorbei und ging spontan hinein. Ursprünglich wollte ich nur wissen, wie man am besten zu einem Weinkeller kommt, der hier in der Nähe ist. Es ist ein Weinkeller, der in einem 500 m langen unterirdischen Hangar angelegt ist. Früher waren in diesem Hangar Flugzeuge, jetzt wird dort Wein gelagert. 


Die Frage wurde schnell beantwortet, aber dann war ich auch schon in ein Gespräch mit der sehr netten Frau verwickelt. Sie erklärte mir wirklich alles (und ich meine alles), was man in Podgorica ansehen kann. Und in der Umgebung. Sie hörte überhaupt nicht auf, aber sie war auch wirklich sehr charmant und ich merkte, sie wollte mir einfach nur helfen. 


Und in der Tat hat sie mich auf ein paar gute Ideen gebracht und mir endlich auch mal gesagt, wo ich vielleicht ein bisschen mehr Altstadt finde als das, was ich bisher gesehen habe. Chapeau!


Und so machte ich mich dann nach einer kurzen Pause auf, schlenderte durch ein mir noch unbekanntes Viertel und ging als erstes zu der alten Brücke.







Die Ribnica-Brücke und das gleichnamige Fort liegen an dem Flüsschen Ribnica, das in die Moraca mündet, wenn Wasser da ist. Momentan mündet hier nichts. 









Der Weg dahin geht durch ein kleines Wäldchen über einen etwas abenteuerlichen Weg mit vielen Treppen, aber es lohnt sich. Die Brücke sieht ähnlich wie die Brücke in Mostar und damit auch sehr malerisch aus.

Hier sind auch noch die Überreste des alten Forts von Ribnica zu sehen.


Und dann fand ich tatsächlich den Weg in die Altstadt. Und hier wird es ein bisschen verrückt! Ich meckere ja gerne, wenn wie zum Beispiel in Mostar so eine Altstadt komplett zugestellt wird mit Souvenirshops und Restaurants. Hier ist es anders. Hier ist nichts. Es gibt ein paar bewohnte alte Häuser, sehr enge Gassen und viele Ruinen. 

Die Leute, die hier wohnen, versuchen irgendwie ihre Autos unterzustellen für die diese Straßen viel zu schmal sind, vor allem für den ruhenden Verkehr. Es gibt hier kein einziges Restaurant, kein Geschäft, nichts. Das ist mir natürlich auch wieder nicht recht. Ich bin durchgelaufen, habe ein paar Katzen begrüßt und einer alten Frau zu genickt und verwundert auf ein paar Hühner geschaut. 







Das war die Altstadt.


Die Frau in der Touristinfo hatte mit leuchtenden Augen von dem Naturkundemuseum gesprochen. Und solche Museen finde ich ja immer toll. Also machte ich mich auf den Weg und kam da auch gut hin. Ich öffnete die Tür, und die Frau an der Rezeption war offensichtlich erstaunt, jemanden zu sehen. Ich sag ihr, dass ich mich gerne mal umsehen wollte und sie sagte okay es kostet keinen Eintritt, ich solle ruhig gehen.


Wow!


Das hatte ich nicht erwartet!


Es ging um Bienen. 





Es war eine stark textbasierte Ausstellung über Bienen. 

Die Illustrationen und Modelle waren sehr kindgerecht, die montenegrinische Beschreibung, die ich natürlich nicht lesen konnte, fühlte sich aber irgendwie sehr komplex an. Und als ich durch die Bienenabteilung durch war, war ich auch durch das Museum durch. Während ich das schreibe, muss ich die ganze Zeit lachen, so etwas habe ich wirklich noch nie gesehen. 

Wow.

Podgorica ist im zweiten Weltkrieg sehr zerstört worden und wurde wahrscheinlich auch sehr schnell wieder aufgebaut. Und das auch noch in den Zeiten des Sozialismus. Diesen Charme strömt die Stadt auch noch irgendwie aus, sie haben den Sprung noch nicht geschafft, aber die Leute sind wirklich unglaublich freundlich. Das lässt mich über vieles anderes hinwegsehen. 


So sieht man häufig an den Straßenecken kleine Cafés mit kleinen Terrassen. So ein kleiner Cappuccino kostet dann zwei kleine Euro, das sind sicher Preise, von denen wir in Düsseldorf träumen. Und so kämpfe ich mich hier von Kaffee zu Kaffee und genieße den Tag.


Podgorica ist die Hauptstadt und größte Stadt Montenegros, gelegen am Zusammenfluss von Morača und Ribnica.

Sie wurde im Laufe der Geschichte mehrfach zerstört und wieder aufgebaut, zuletzt stark im Zweiten Weltkrieg.


Der heutige Name der ehemaligen Stadt Titograd bedeutet „am Fuß des Hügels“. Der Hügel ist der Gorica und so ergibt sich der Name Podgorica. Die 150.000 Bewohner genießen milde Winter und müssen mit heißen und schwülen Sommern rechnen. Hier in der Hauptstadt leben ca. 60% Montenegriner, 24% Serben und jeweils 2,5% als Roma oder als Moslems. Im Großraum der Stadt ist die wichtigste Industrie des Landes versammelt. Am wichtigsten ist die Aluminiumhütte, aber auch Textilien und Tabak bringen Geld in die Stadt. 

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