9 Grad. Warm ist anders.
Eigentlich fing der Tag sehr entspannt an. Mein Bus fährt um fünf vor 10 Uhr und ich habe viel Zeit, um zu duschen, frühstücken und Zeitung lesen. Genau das tue ich auch, räume alles zusammen und gehe zur Straßenbahnhaltestelle. Naja, anfangs gehe ich, aber als ich dann die Bahn kommen sehe muss ich doch laufen.
Ich bin etwas zu früh dran, und die Bahn ist eigentlich auch eine vor der, die ich nehmen wollte, aber das ist mir sehr recht. Von der letzten Haltestelle aus muss ich noch etwas über 1 km laufen bis zum Busbahnhof. Dort warten schon einige Leute, die meisten Einheimische, aber auch einige Asiaten.
Der Busbahnhof hat zwölf Bahnsteige und schnell finde ich meinen Bus. Er ist nicht neu, aber sauber und die Anordnung der Sitze hat man sich offensichtlich bei Ryanair abgesehen: Schön, eng!
Aber ich habe eine Reihe für mich und so kann ich mich zumindest etwas schräg hinsetzen. Einer meiner Mitreisenden ist leider noch ziemlich stark betrunken vom gestrigen Abend und hat eine beeindruckende Fahne. Aber mein Magen ist einigermaßen stabil, so werde ich auch das überstehen.
Auf dem Weg raus aus der Stadt fallen mir doch immer wieder zerschossene Häuser ins Auge. Hier wurde offensichtlich nicht so viel restauriert.
Wir fahren durch kleine Dörfer, in denen das Highlight manchmal eine Tankstelle oder auch ein kleiner Gewerbebetrieb ist. Rechts und links sanfte Hügel, mit Bäumen bewachsen, die sich langsam verfärben. Nur in den etwas größeren Ortschaften gibt es größere Häuser mit sieben oder acht Stockwerken, alles andere scheinen eher Einfamilienhäuser zu sein.
Die Fahrt verläuft ruhig, nur der alkoholisierte Typ redet fast ununterbrochen und leider sehr laut.
Langsam werden die Berge um uns herum höher, wir fahren teilweise durch längere Tunnel und die Steigungen beziehungsweise die Gefälle sind auch schon mal über 10 %. Die Berge am Horizont gehen bis in die Wolken hinein.
Ab und zu stehen Händler an der Straße, die Zwiebeln, Nüsse oder auch oft Honig verkaufen.
Die Landschaft verändert sich etwas. Es ist immer noch sehr bergig und auch enge, langer und dunkle Tunnel sind auf unserem Weg, aber jetzt haben wir rechts von uns einen Fluss, der an manchen Stellen breit wie ein See wird. Toll!
Wir kommen durch ein paar kleine Dörfer, und mehrmals sehe ich, wie nah an der Straße komplette Schweine sich auf Spießen drehen. Schade, dass wir hier nicht anhalten.
Langsam wird es auch warm im Bus. Ich habe ein Sweatshirt an, aber das ist etwas zu viel. Ich hätte gute Lust, mich umzuziehen, traue mich aber nicht. Noch nicht.
Wir fahren durch ein wunderschönes Tal, links von uns der Fluss (Neretva), rechts und links hohe Berge mit schroffen Felsen. Der Himmel ist blau, und es verspricht, ein wirklich schöner Tag zu werden.
Die Strecke ist ein Eldorado für Motorradfahrer. Es geht permanent bergauf und bergab und eine Kurve folgt der nächsten.
Bei so einem Wetter, wie es jetzt ist (nicht so warm, toller Sonnenschein) ist das ein unschlagbares Erlebnis.
Aber es war wirklich warm. Der Gedanke daran, später in Mostar im Sweatshirt durch die Stadt zu laufen, machte mich nicht glücklich. Ich überlegte hin und her, dann beschloss ich aber, mich schon hier im Bus umzuziehen. Das ist sicherlich nicht so die feine Art, aber mir war es egal.
Also schnell das T-Shirt rausgeholt, und dann so schnell wie es ging das Sweatshirt aus, neues T-Shirt an und einfach unbeteiligt herumkucken. 10 Sekunden später war mir klar: gute Entscheidung. So fühlte ich mich doch deutlich wohler.
Und dann kamen wir in Mostar an. Ein sehr seelenloser Bahnhof und direkt daneben ein ebenso seelenloses Busterminal. Alles ist sehr verfallen und passend dazu sind die Leute hier auch recht unfreundlich. Ich musste mich ein paarmal durchfragen, bis ich die richtige Stelle gefunden hatte, wo ich meinen Busticket kaufen konnte. Und dann stand ich vor der Überlegung: gehe ich zu Fuß oder nehme ich ein Taxi. Zu Fuß hat gewonnen.
20 Minuten später und nach nur wenigen bergauf-Strecken war ich am Ziel.
Der Gastgeber hatte mir eine genaue Beschreibung, einen Link zu Google Maps und sogar ein kleines Video geschickt, um zu verstehen, wie ich in das Apartment komme. Es ist ein modern eingerichtetes Apartment mit einer kleinen Küche, einem Bad und einer Terrasse. Mit anderen Worten es fehlt nichts. Auch eine Klimaanlage ist da, und ich bin sehr sicher, dass ich sie brauchen werde. Ich habe dann erst mal meine Klamotten abgeworfen und mich sommerlich angezogen. Also kurze Hose, leichte Schuhe und ein dünnes Hemd. So angezogen geht es schon besser.
Ich halte mich nicht lange auf, sondern mache mich sofort auf den Weg, zu erkunden, wo ich hier gelandet bin. Es geht wieder über eine kleine Brücke, als ich den Fluss überqueren und dann folgt eine Fußgängerstraße. Am Anfang ist sie noch etwas entspannt, dann steigt aber die Dichte von Souvenirläden gewaltig an. Jeder Laden ist ungefähr 3 m breit, und zwischen den einzelnen Läden gibt es eigentlich keine Lücken. Interessante ist, dass alle Läden das gleiche verkaufen. Es ist übrigens auch das gleiche, dass in Sarajevo verkauft wird, nur, dass auf den Kühlschrankmagneten jetzt Master steht und es ab und zu auch mal andere Motiven gibt! Je näher man der berühmte Brücke kommt, umso enger wird es und umso mehr Touristen drängeln sich durch die enge Gasse. Kunststück: es ist Sonntag.
Das Pflaster besteht aus spiegelglatten großen Kieseln, die aufgrund der Unebenheit sehr unangenehm zu gehen sind, für die aber meine Sohlen auch überhaupt nicht geeignet sind. Ich muss unheimlich aufpassen, nicht auf die Nase zu fliegen. Es ist ein buntes Gemisch von Touristen. Ich höre alle möglichen Sprachen und von kleinen Kindern bis zu älteren Senioren sind alle Altersklassen vertreten.
Ich finde ein Café, wo der Kaffee 2,50 kostet. Das ist natürlich lächerlich billig vor allem für so einen touristischen Ort. Als ich dann die 2,50 in Mark hinlege, macht mich die Kellnerin drauf aufmerksam, dass die Speisekarte in Euro ausgezeichnet ist. Das ist zwar immer noch günstig, aber man kann sich meine Überraschung vorstellen.
Bei näherem Hinsehen entdecke ich aber auch, dass in den Souvenirshops die Preise ebenfalls alle in Euro ausgezeichnet sind. Man hat sich offensichtlich auf die Touristen hier gut eingestellt.
Und eine Besonderheit gibt es hier auch noch zu bemerken. Mostar ist eine kartenfreie Zone.
Was bedeutet das? Hier werden generell keine Karten akzeptiert, alles muss bar bezahlt werden. Das fing schon am Busbahnhof an, als ich mein Ticket kaufen wollte. Nein, keine Karte, nur Bargeld.
Und als ich dann hier ein Eis kaufen wollte: das Gleiche. Ich fragte an verschiedenen Restaurants und Eisdielen an, auch als Vorsorge für heute Abend, aber nirgends gab es die Möglichkeit, mit Karte zu bezahlen. Verrückt! Ich gehe ein paar Schritte aus der Altstadt heraus, da, wo die normalen Menschen leben, aber das Bild änderte, sich nicht. Nur Bares ist Wahres, scheint hier die Devise zu sein.
Dumm für mich, weil ich nur noch wenig Bares habe und meine Lust, wieder 7,50€ Provision am Geldautomaten zu bezahlen, hält sich in Grenzen. Witzig ist nur, dass die Leute, wenn ich nach Kartenzahlung frage, immer antworten: Mark oder Euro!
In der Übergangszeit zum Euro wurde das bei uns auch immer gesagt….
Lediglich ganz nah bei meiner Unterkunft war eine kleine Burger-Bude, und da sah ich dieses verräterische Visa-Zeichen. Ich fragte noch mal sicherheitshalber ob er Karte akzeptiert und er nickte. Schade, dass ich keine Burger mag.
Aber ich hatte heute früh nur einen Kaffee gehabt und so fing mein Magen langsam an, zu reklamieren. Und abgesehen von der umständlichen Art, dieses Ding zu essen, war es aber ganz lecker.
Mostar ist bekannt für zwei Dinge: die berühmte Stari Most Brücke (gebaut 1560) über dem Fluss Neretva, die im Bosnienkrieg zerstört wurde. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt und liegt den Einwohnern sehr am Herzen. Außerdem ist Mostar eine der heißesten Städte in Bosnien und dem Balkan. Die Stadt liegt in einem Kessel und besonders im Juli und August ist es unerträglich heiß. Und wisst ihr was? Es regnet in Mostar fast jeden zweiten Tag!
Hier gibt es Zulieferer für die Auto- und Flugzeugindustrie, viel Landwirtschaft und Industrie zur Verarbeitung der landwirtschaftlichen Güter.
Interessanterweise gibt es in Mostar eine Bruce-Lee-Statue. Die Bürger der Stadt können sich wohl mit ihm identifizieren. Sehenswerter finde ich die Peter & Paul-Kirche, die mit ihrem über 100 m hohen Turm den höchsten Glockenturm in Südosteuropa hat.
Mostar verbindet orientalisches Flair mit europäischer Architektur und Geschichte. Die Altstadt mit ihren engen Gassen, Basaren und Minaretten hat laut Reiseführer einen einzigartigen Charme. Und akzeptiert keine Kartenzahlung.
Mostar ist eine wunderschöne, sehr alte Stadt mit teilweise sehr alten Dingen wie die Moschee oder der alten Brücke. Es gibt zwei Basare Basare, die ebenso alt sind und viele alte Häuser. Auch das Straßenpflaster ist aus einer längst vergangenen Zeit. Die Stadt an sich ist wunderschön, jetzt kommt aber das „aber“.
Ich fürchte, mit den vielen Geschäften hat man sie kaputt gemacht. Und zusätzlich noch mit den vielen Touristen, die hierher gekarrt werden. Man muss berücksichtigen, dass es ja mittlerweile Mitte Oktober ist, die Saison ist längst vorbei. Ich will nicht wissen, was hier im Sommer los ist. Ich musste willkürlich an Nessebar denken. Das ist ein kleines Dorf auf einer kleinen Halbinsel im schwarzen Meer in Bulgarien. Das ist ähnlich wie Mostar: wunderschön, aber Tourismus und Souvenirbuden (natürlich muss auch die lokale Bevölkerung irgendwie ernährt werden) haben es kaputtgemacht. Overtourism in seiner besten Form. Schade! Aber klar, ich bin Teil davon.