Zu Hause haben wir im Schlafzimmer so einen Projektionswecker, der die Zeit an der Zimmerdecke darstellt. Wenn ich dann morgens, wenn es noch dunkel ist, aufwache, schaue ich nur da hoch und weiß Bescheid.
Auf Reisen muss ich mir anders behelfen. Ohne Brille kann ich die Uhr nicht vernünftig lesen, also nehme ich Siri zu Hilfe. Mit dem Kommando „wie spät ist es“ sagt sie mir zuverlässig die Zeit an. Sehr praktisch.
Das hat mich heute Früh gerettet, denn ich hatte völlig verschwitzt, dass wir Zeitumstellung hatten. Meine Uhr ging natürlich falsch, aber Siri hatte das im Griff.
Heute ist Reisetag, leider mit etwas unglücklichen Zeiten. Um 10 muss ich das Apartment verlassen und um 16:00 Uhr geht der Bus. Ich habe gestern schon ausbaldowert, dass ich mein Gepäck am Busbahnhof lagern kann, dann ist das Problem schon mal gelöst. Leider ist heute auch noch Regen angesagt, das macht den Aufenthalt in der Stadt nicht so angenehm.
Tagsüber änderte sich die Vorhersge….🤪
Der Wetterbericht hat ja oft unrecht, aber heute war es anders. Es regnete. Es regnete viel. Es regnete ausdauernd und es hörte nicht auf. Ich soll spätestens um 11:00 Uhr nach Absprache mit dem Vermieter das Apartment verlassen das tat ich auch. Ich ging runter, sah mir ein paar Minuten lang den Regen an und beschloss wieder hoch zu gehen und einfach auf die Putzfrau zu warten, die kommen sollte. Spannend ist das natürlich nicht, aber besser als auf dem Weg total nass zu werden dann vielleicht am Busbahnhof nass und frierend zu sitzen.
Dachte ich.
Heilige Scheiße! Ich habe es tatsächlich noch geschafft, bis kurz nach zwölf in der Apartment zu bleiben, aber dann kam die Putzkolonne. Im strömenden Regen bin ich dann losmarschiert und ich kann sagen, es war nicht schön.
Gute 20 Minuten sind es bis zum Busbahnhof und der Weg ist kein einfacher. Es gibt hier keine Kanalisation, das Regenwasser kann also nicht abfließen. Wenn man Straßen überqueren will, hindert einen meistens ein circa 1,50 m breiter Wassergraben daran. Aber auch in der Mitte der Straße, speziell an Kreuzungen steht das Wasser teilweise 20-30 cm tief. Hier zeigt sich auch deutlich, dass meine als wasserdicht ausgewiesen Schuhe eine Eigenschaft nicht haben: sie sind nicht wasserdicht.
Dazu kommt, dass viele Autofahrer sehr rücksichtslos durch das tiefe Wasser fahren und man beim Ausweichen meistens selber in einer Pfütze landet. Solange mir die Autos entgegenkommen, kann ich die Hand heben, so als Zeichen, dass sie langsamer fahren wollen. Und die meisten tun das dann auch. Aber wenn sie von hinten kommen: keine Chance!
Ich hatte mir die Strecke vorher auf Google angesehen und bin erst mal ohne Navi gegangen, da ich den Touchscreen bei dem Regen sowieso nicht bedienen kann. Es gibt auch keine Hauseingänge oder Einfahrten, wo man sich mal unterstellen kann, sondern alles ist sehr offen. Irgendwann finde ich eine Tankstelle. Stelle mich da kurz runter, trockne meine Finger und checke mal, ob ich immer noch auf dem richtigen Weg bin.
Google sagt nein.
Angeblich bin ich zu weit gegangen. So ganz traute ich Google nicht, aber irgendeine Entscheidung musste ich treffen, also ging ich wieder ein Stück zurück.
Dann zeigte mir Google einen Weg, der mir wieder sehr seltsam vorkam. Aber was soll ich tun? Ich kenne mich hier nicht aus und bei dem Wetter habe ich wenig Lust auf Experiment. Also folge ich Google.
Nach 300 oder 400 m stehen zwei Männer auf der Straße unter einer Markise. Offensichtlich war er ein Café und ich dachte: jetzt mache ich erst mal Schluss und stell mich erst mal runter.
Die beiden schauten mich neugierig an und der eine fragte: möchtest du einen Tee? Ich sagte, nein, ich suche den Busbahnhof. Oh, das ist recht einfach. Gehe hier zurück!!! und dann an der nächsten Straße links immer geradeaus.
Also wieder zurück!
Ich war nicht glücklich.
Dann sagte ich zu dem einen Typen, ich würde jetzt gerne auf das Angebot mit dem Tee zurückkommen. Er sagte okay und rief etwas in das Café rein. Ich wollte dann auch in das Café gehen, endlich mal ins Warme und Trockene, aber er sagt nein, nicht mit Schuhen! Das ist ein Kindergarten.
Und dann sah ich auch, dass ein Teil der Bestuhlung normal war aber viele Stühle und Tische waren auch deutlich kleiner. Also blieb ich draußen, aber wenigstens im Trockenen.
Und dann kam auch schon eine Tasse mit heißem Tee und ich kam mit den beiden ins Gespräch. Sie hatten auch etwas zu trinken, allerdings war da kein Teebeutel drin und die Farbe war auch anders. Whisky sagte der eine.
Natürlich wollten sie wissen, was ich hier mache, wie lange ich schon durch den Regen laufe, wo ich herkomme und was mein Beruf ist. Die beiden stellten sich als total netter Jungs raus, die auch sich freuten, mir behilflich sein zu können. Da der Tee sehr heiß war, stand ich relativ lange bei Ihnen und wir hatten trotz des Wetters eine gute Zeit.
Mit dem einen (Dragan) habe ich mich direkt auf Facebook befreundet und dann haben wir uns mit einer Umarmung verabschiedet. Schlechtes Wetter, aber sehr nette Leute. Von da aus war es dann noch zehn 12 Minuten, bis ich am Busbahnhof ankam. Und da wurde dann der Regen auch deutlich weniger. Murphys Law!
Dann, im Trockenen, habe ich mal geschickt, wie viel ich heute schon gelaufen bin. 4,2 km für die 2,3 km lange Strecke! Mist!
Ich war ziemlich komplett nass und wollte jetzt mit meinem Restgeld noch einen Kleinigkeit essen. In circa 400 m war ein Restaurant und der Regen war jetzt auch wesentlich moderater. Ich bekam ein Hühnerfilet mit etwas Salat und ein paar Pommes. Das und auch das ganz leicht geheizte Restaurant sorgten bei mir für eine bessere Laune. Irgendwas unternehmen wollte ich jetzt nicht mehr, sondern bin dann zum Busbahnhof zurückgelaufen. Dort habe ich dann die Regenjacke ausgezogen und meinen Hoody rausgekramt. Der war natürlich teilweise nass und wahrscheinlich auch noch viel mehr im Rucksack. Pech!
Im Busbahnhof gab es dann noch einen Kaffee und eigentlich wollte ich mir in dem dortigen Büdchen noch eine Kleinigkeit holen, um die restlichen Dinar loszuwerden, habe es dann aber gelassen.
Zum Glück!
Als ich zum Bus gehen wollte, stellte sich nämlich heraus, dass ich noch 50 Dinar Bahnsteiggebühr zahlen musste. So aber war es gut.
Der (große) Bus war sehr leer und die Sitze waren bequem. Es war also nicht alles schlecht heute.
Auf der Fahrt fing es dann wieder an, zu regnen, aber im Bus war es recht gemütlich. Die Wolken hingen sehr tief und es wurde schnell dunkel. 3 Stunden lagen vor mir.
Wir waren ziemlich schnell an der Grenze, hier kam der Zöllner im den Bus und sammelte die Pässe ein. 10 Minuten später bekamen wir sie wieder zurück. Unkompliziert.
Nun war es stockdunkel und schön warm.
Wenn wir durch kosovarische Städte kommen, habe ich den Eindruck, dass die Leute hier auf riesige sehr sehr bunte Leuchtreklamen stehen. Wenn sie aber eher das Kapital in die Reparatur der Durchgangsstraße gesteckt hätten, würden wir hier höhere Geschwindigkeiten (wegen der monströsen Schlaglöcher) möglich sein. Wir halten immer wieder an und der Fahrer läßt ein Rad nach dem anderen langsam durch das Schlagloch rollen. Es zieht sich!
Auf der Fahrt regnete es immer weniger. Zwischendurch meine ich, hätte es sogar ganz aufgehört. Das ließ mich hoffen, dass ich die 20 Minuten bis zu meiner hiesigen Unterkunft bequem laufen könnte. Nach den 3 Stunden sitzen eine willkommene Abwechslung.
Als wir 5 km von Prizren entfernt waren, setzte der Regen erneut ein. Naja, so schlimm ist das auch nicht, hier kann ich ja mit Euro bezahlen, und die habe ich ja noch. Also werde ich mir ein Taxi gönnen .
Und so kam es auch, ein sehr freundlicher Taxifahrer brachte mich zu meiner Unterkunft, die klein, aber trocken ist. Dort habe ich dann meine ganzen Klamotten über das Zimmer verteilt, damit sie trocknen können.
Schon beim kommen habe ich gesehen, dass ich wieder mitten im Zentrum wohne. Und heute ärgert mich etwas sehr: ich wollte unbedingt nur maximal drei Wochen weg sein und habe daher hier nur einen Tag geplant. Und sogar noch weniger, weil ich ja heute spät angekommen bin und morgen muss ich mittags schon wieder weiter.
Also nur ein paar Stunden. Was mich jetzt ärgert ist, dass es hier offensichtlich sehr schön ist. Selbst bei Regen hat die Altstadt sehr viel Charme und lädt zum spazierengehen ein. Und laut Reiseführer gibt es hier auch noch viel mehr Dinge zu entdecken.
Shit!
Aber die Planung steht, die Busticket sind gekauft, die Hotels sind gebucht und die Flüge sowieso. Da muss ich es leider durch, aber es ärgert mich schon sehr.
Abends war ich noch in einem sehr netten Restaurant habe eine fantastische Pasta gegessen und danach hab ich mir dann (überwiegend wegen der feuchten, kalten Füße!!) noch einen Raki gegönnt. Lecker!
Ich bin also im Kosovo, genauer gesagt, in Prizren.
Wo soll man hier anfangen. Kosovo war und ist immer präsent in den Medien, und nie positiv. Kosovo ist um 1/3 kleiner als Thüringen und hat ungefähr so viele Bürger wie Hamburg. Ab 2003 war es Teil von Serbien und ab 2008 hat es sich unabhängig gemacht.
Von den 193 Mitgliedsstaaten der UN erkennen lediglich 117 das Land als unabhängigen Staat an. Kosovo selber ist nicht Mitglied der UN. Das Land verwendet den € als Währung, aber quasi als Fremdwährung.
Schwierig!
Und das Land ist auch für Reisende schwierig. Es gibt klare Reisewarnungen für den Norden des Landes und für alle Gegenden ohne befestigte Straßen. Organisierte Kriminalität ist weit verbreitet und es gibt mehrere hunderttausend nicht registrierte Schusswaffen im Land, und die Hemmschwelle zum Einsatz ist niedrig. Ähnlich wie in Honduras oder El Salvador! Diebstahl gibt es natürlich auch, aber vergleichsweise wenig.
Im ganzen Land besteht die Gefahr von Erdbeben. Autofahren sollte man wegen der Straßen und vor allem wegen der anderen Autofahrer auch eher nicht.
Aber nicht alles ist schlecht im Kosovo.
Der Kosovo ist ein Land voller Energie, Herzlichkeit und Aufbruchsstimmung.
Besucher spüren sofort die Offenheit der Menschen und die lebendige Atmosphäre – besonders in der jungen Hauptstadt Pristina.
Nicht nur hier, sondern im ganzen Land gibt es unendlich viele Cafés. Es ist die höchste Dichte an Kaffeehäusern in Europa, sogar mehr als in Bosnien. Und damit die Menschen im Café was zu tun haben, gibt es hier die höchste Handynutzungsrate in Europa. Viele der (jungen) Menschen (50% der Menschen hier sind jünger als 25) haben 2 oder 3 Smartphones gleichzeitig.
Zwischen beeindruckenden Bergen, traditionellen Dörfern und moderner Kultur entfaltet sich eine spannende Vielfalt.
Historische Klöster, bunte Straßenkunst und kreative Cafés zeigen, wie Tradition und Zukunft hier Hand in Hand gehen.
Der Kosovo begeistert mit seiner Lebensfreude und dem Mut einer jungen Generation, die voller Zuversicht nach vorn blickt.
Warum erlebe ich es in Deutschland kaum, dass mich ein vorbeifahrender Bus nass spritzt, während ich in China das ständig durchmache?
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