Sonntag, 19. Oktober 2025

Sonntag, 19.10.2025 Reise nach Albanien

Gestern Abend war ich noch gemütlich essen und habe mich dann in meine recht nette, moderne und saubere Unterkunft zurückgezogen. Ich habe hier ein Zimmer mit Bad und es gibt eine Gemeinschaftsküche, die auch von anderen Bewohnern benutzt wird. Ich wohne hier mit einem netten Kanadier (Maxim) zusammen und bin mit ihm zusammen dann auch heute früh zum Busbahnhof gegangen, weil wir festgestellt haben, dass wir beide nach Tirana wollen. 




Heute ist der Bus sehr schön leer und ich habe eine Doppelsitzbank für mich. Von Podgorica bis zur Grenze Albaniens habe ich mich sehr intensiv mit dem Kanadier unterhalten und daher von der Landschaft so gut wie nichts mitbekommen. Er ist zwar noch beruflich aktiv, aber er reist auch sehr viel und hat schon viel gesehen. Jetzt ist er tatsächlich für 14 Tage aus Kanada hier rübergeflogen, um sich Kroatien, Montenegro und Albanien anzusehen. Auch nicht schlecht! 

Das Wetter heute ist wunderschön. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint und ohne große Probleme erreichen wir die Grenze. Es ist wieder mal eine Doppelgrenze, d.h. erst mal ausreisen aus Montenegro und dann einreisen in Albanien. 

Der Montenegriner gibt mir noch einen Stempel für meinen Pass, in Albanien gehe ich leer aus. 






An der Grenze gab es die Möglichkeit, mal kurz auf Klo zu gehen, was ich nach zwei Tassen Kaffee natürlich gerne gemacht habe. Eine nette, kleine, asiatisch aussehende Frau, die mir hinter mir im Bus sitzt, stand neben der Klotür und raucht. Sie gab mir dann den Tipp: mittlere Toilette, die anderen sind abgeschlossen. 


Ich ging da rein, und für Männer ist eine schmutzige Toilette, nicht so das große Problem. Nach mir kam dann eine Frau, die aber auch sofort wieder rausging und sagte nein, viel zu schmutzig. Daraufhin die Asiatin: ich habe einfach auf dem Boden gepinkelt und das mit dem Schlauch alles wieder weggemacht. 






Man muss sich also zu helfen wissen. Die erste Stadt, durch die wir kamen, war Shkodra. Ich glaube, was mir am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist der unglaubliche Stau, den es hier auf den Straßen gab und das Ganze um 10:30 Uhr vormittags an einem Sonntag. Bei schönstem Wetter waren viele Menschen auf den Straßen unterwegs, aber auch ebenso viele Autos. Wir sind bestimmt eine halbe Stunde hier gewesen.

Später ging es dann durch ziemlich flaches Land, nur rechts und links werden wir von Hügelketten begleitet. Ich hatte es mir wesentlich sonnenverbrannter vorgestellt, aber alles ist sehr grün und der Herbst ist hier noch nicht zu sehen. Die Fahrt ist hier ziemlich eintönig, die Straße schnurgerade und die Landschaft eintönig. 


Gegen 12:30 Uhr kamen wir in Tirana an. Schon vorher hatte der Busfahrer uns informiert, dass er an dem östlichen Busterminal anhält, dass er aber auch ins Zentrum fährt. Das wäre natürlich genial, da ich auch irgendwo im Zentrum wohne. Eine Mitreisende meinte, dass er eventuell zu dem alten Busterminal im Zentrum fährt.

Hier in der Nähe vom östlichen Busterminal, ist die Stadt nicht besonders hübsch, hat aber bereits jede Menge Autoverkehr. Hier stehen viele seelenlose Wohnblocks mit acht oder zehn Etagen, manche von denen aus dem alten Sozialismus, manche aber auch neueren Datums. 


Wir kommen über eine 6-spurige Straße in die Stadt, wobei eine 8-spurige wahrscheinlich besser wäre.

Die asiatische Frau hinter mir wohnt in Montenegro, kommt aber oft nach Tirana. Im Laufe der Unterhaltung stellt sich heraus, dass sie nicht aus Asien kommt, sondern eher aus Mexiko. So kann man sich täuschen.






Max wohnt in der gleichen Gegend wie ich und so können wir noch zusammen ein Stück Weges gehen. In der Stadt findet gerade ein Marathon statt und viele Straßen sind abgesperrt. Leider mache ich dann einen Fehler, den ich schon ein paarmal gemacht habe. Ich gebe die Adresse in Google Maps ein und die führt mich zu einem anderen Ort. 


Dann gebe ich den Namen der Unterkunft ein und so ist es besser

Mein Zimmer ist ein wenig gruselig, aber sauber und hey: mit Frühstück! 



Ich mache mich erst mal auf den Weg und erkunde ein wenig die Umgebung. Wo bin ich hier gelandet? Es scheint relativ zentral zu sein, und als der Marathon vorbei ist und die Straßensperren abgebaut werden, lebte der Verkehr auch wieder auf.

Ich ging eine Weile spazieren, fühlte mich aber nicht wohl, weil in dem einen Schuh irgendwie ein Stein drin war, der auch ziemlich weh tat. Also bin ich nur kurz zu einem Geldautomaten gegangen, schenkte der dortigen Bank sieben Euro für das Abheben einer kleinen Summe albanisch Währung und bin dann erst wieder zurück in meine Unterkunft, um den Schuh zu untersuchen. 


Als ich mit meiner Hand reinfasste, um von innen zu fühlen, was da sein könnte, rammte ich mir voll ein kleines Stückchen Stahldraht in den Finger. Das war also der Übeltäter. Als ich ihn dann mit etwas Mühe rausgezogen hatte, ging es mir schon wesentlich besser. 







Dann machte ich mich auf dem Weg zu dem zentralen Bunker der Stadt. Es ist eines der herausragenden Sehenswürdigkeiten hier. An dem riesigen Skanderbeg Square war offensichtlich Start und Ziel von dem Marathon. Hier standen noch viele Zelte und Absperrgitter, um die Läufer zu versorgen.

Eingang zum Bunker





Und bald kam ich am Bunker an. Die Attraktion ist hier „Bunks Art“, eine Ausstellung über die dunkle Zeit in Albanien.





Hundestaffel

Die Ausstellung findet in dem Bunker statt. Er ist durchzogen von langen Gängen mit vielen kleinen Räumen, und in jedem Raum stehen Informationstafeln, viele Fotos und teilweise Videos mit Erklärungen. 


Es geht chronologisch um die Entwicklung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte in der Zeit im und nach dem zweiten Weltkrieg.  Die ganze Zeit hört man Geräusche, wie das Atmen durch Gasmasken, Propaganda-Gesänge, Schüsse, Kettenrasseln und anderes.



Rekonstruktion von Totenschädeln



Die gesamte Vergangenheit des Landes und vor allem die Aktionen der verschiedenen Polizeiorganisationen ist ziemlich schrecklich. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg war die Polizei ein wichtiges Werkzeug der Macht habe um die Bevölkerung zu unterdrücken. In 

1990 wurden dann die Grenzsoldaten implementiert, die dem Verteidigungsminister unterstanden, angeblich ging es um den Schutz der Grenzen.

Es ging gegen Eindringlinge von außen, aber vielmehr ging es darum, dass die Albaner nicht das Land verlassen sollten. 

Man schätzt, dass ungefähr 1000 Albaner an der Grenze getötet worden sind, als sie das Land vorhatten.

Während ich durch das Museum gehe, höre ich immer wieder marschierende Soldaten und heulende Sirenen.

In der forensischen Abteilung der Polizei versuchte man später, aus den Überbleibseln der Leichen die Identität wieder zu rekonstruieren.


Todeslisten

Versteckte Kameras
Versteckte Kameras
Versteckte Kameras
Versteckte Kameras

Versteckte Kameras


Dann richtete sich die Gewalt der Polizeikräfte auch gegen den Klerus und gegen Menschen mit Beeinträchtigungen. In einem Raum hängen lange Listen mit Getöteten aus dieser Zeit.

In der Zeit zwischen 44 und 91 sind über 6000 Menschen in Albanien getötet oder zu Tode gefoltert worden, 5577 Männer und 450 Frauen. 

Eine große Grauzone von angeblichen Selbstmorden verwässert aber diese Statistik.

Als das Regime hier anfing, aufzuräumen, gab es nicht genügend Gefängnisse für die ganzen Menschen, die eingesperrt werden sollten. Man glaubt, dass es zwischen 30.000 und 34.000 Menschen waren, die ihrer Freiheit beraubt wurden. Man hatte acht Gefängnisse, die nur für politische Gefangene reserviert waren, die anderen Gefangenen wurden in normalen Häusern eingesperrt. Zwischen 46 und 50 gab es 20 Arbeitslager. Es wurden aber später noch weitere 90 gebaut.

Spionage durch Wand










Die Sigirumi war ein beliebtes Werkzeug der Politiker und stellte die geheimen Polizei dar. Sie wurde im Wesentlichen von Enver Hoxha geleitet und angewiesen. Sie trugen keine Uniformen, aber sie waren sehr effizient.

Mithilfe der Sowjetunion und der DDR wurde auch Technologie importiert. Diese diente dazu, das Volk zu bespitzeln (Kameras) oder abzuhören. 


Diese Geräte wurden erst importiert und später massenweise in Albanien hergestellt. Sie wurden in Firmen und auch in Privathaushalten installiert, und eine sehr flächendeckende Überwachung des Volkes nahm seinen Lauf.

In einer Raum stehen auf einem Tisch zwei Aschenbecher, und man kann versuchen, die Abwehrmechanismen zu finden. Ich habe nichts Verdächtiges gesehen.


Die Russen kamen immer wieder nach Albanien, um die Leute hier auch auszubilden. Erst ging es um das ausspionieren, hinterher um das Erstellen und Manipulieren von Dokumentationen. Fotos und Videos wurden manipuliert und für die Propaganda eingesetzt.






Es gab einen Fünftageskurs, wo die Leute drei Tage ausgebildet wurden, mit der Kamera umzugehen und zwei Tage, wie man die Aufnahmen manipuliert. Die Kameras wurden versteckt, in Gürteln, Jacket, Mänteln und so weiter.


Einen sehr schönen kleinen Komplex mit Räumen gibt es am Ende eines der Gänge. Es ist der Aufenthaltsraum des Innenministers mit einem Zimmer für Besprechungen, einem persönlichen Büro und dem Schlafzimmer. Nicht schön, aber sehr sicher. (bombensicher)


1984 gab es eine Bestimmung, dass keine Hippies oder Vagabunden nach Albanien einreisen dürfen. An der Grenze wurde geprüft, inwieweit die Kleidung in Ordnung ist und inwieweit Haarschnitt, Tracht oder auch bei den Frauen generell die Kleidung dem albanischen Standard entspricht. 


Im Zweifelsfall konnte man sich an der Grenze die Haare schneiden oder rasieren lassen, oder man konnte sich auch andere Kleidung besorgen.

In den verschiedenen Konzentrationslagern wurden Männer Frauen aber auch unglaublich viele Kinder interniert.

Es gibt eine lange Liste mit dem Foltermethoden, und es ist natürlich furchtbar, das zu lesen.


Ganz hinten im Bunker gibt es noch eine Dekontaminationskammer und das ist wirklich ein klaustrophobisches Erlebnis.








Natürlich ist so ein Bunker an sich erst mal ein Erlebnis, so etwas bekomme ich so oft nicht zu sehen. Und natürlich ist es auch eine gute Idee, eine solche Ausstellung hier unterzubringen. 


Trotzdem tut einem fast jeder Schritt durch diese endlos langen Gänge körperlich und seelisch weh, und man fragt sich jedes Mal, was in dem nächsten Raum auf einen warten. 

Natürlich ist es nicht schön, so mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden, wie in Sarajevo oder wie hier. Aber ich glaube, dass diese Geschichten leider zu meiner Geschichte gehören, weil sie in meinem Lebenszeitraum stattgefunden haben. 


Trotzdem ist es für mich völlig unverständlich wie Menschen anderen Menschen so etwas antun können. 


Ich habe andere Dinge erwartet, die ich hier im Balkan sehen würde. Aber ich wusste, dass ich an diesen Punkten nicht vorbeikomme, sie gehören halt dazu. Meine berechtigte Angst ist nur, dass die Menschen nicht nachhaltig aus diesen Dingen lernen.











Mit seiner Fläche von 28.748 Quadratkilometern ist Albanien etwas kleiner als Belgien und hat mit 2,4 Millionen etwas mehr Einwohner als Thüringen.


Das Land wird nach der unrühmlichen Vergangenheit im Kommunismus auch heute noch von Korruption, Kriminalität und extremer Umweltverschmutzung gebeutelt. Die große Armut im Land, schlechte Infrastruktur und die immer noch praktizierte Blutrache machen das Ganze nicht besser. 

1918 galt Albanien als größter Marihuanalieferant für Europa und auch Heroin & Co kommen über Albanien in die EU. Über 50% der Bevölkerung sind Moslems, ca. 15% Christen.


Es gibt größere Rohstofflager in Albanien. Dort findet man Chrom, Nickel, Kupfer, Kohle und andere Bodenschätze, die heute aber aus verschiedenen Gründen nicht gefördert werden. Das Land verfügt außerdem über kaum erschlossene Gas- und Erdölvorkommen.


Was gibt es noch über Albanien zu sagen? Die Albanische Sprache ist mit keiner anderen Sprache in Europa verwand. Jeder 2. hier fährt einen Mercedes, vom Oldtimer bis zum SUV. 

Frauen können hier ein Gelübde ablegen (Burrnesha) und leben dann bis zum Tod als Männer. Und die Blutrache gibt es hier auch noch. Sie ist verboten, aber immer noch in den Köpfen der Menschen präsent. 

Im Land (soooo groß ist es nun auch nicht) gibt es ca. 170.000 Bunker, dafür gab es in Tirana bis in die 90iger Jahre keine Verkehrsampeln und es gibt hier im Land keinen Mc.Donald`s. Schade, da gibt es oft Eis für kleines Geld und die Toiletten sind immer erfreulich sauber. 

Bei der Kommunikation muss ich aufpassen. Wenn einer ‚Po‘ sagt, meint er ‚ja‘ und wenn er ‚Jo‘ sagt, meint er nicht mich, sondern ‚nein‘. Kompliziert!!


1 Kommentar:

  1. Die Regierungsparteien in einigen Ländern haben nicht vollständig aus der Geschichte gelernt, und dann wird sich die Geschichte wiederholen.

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